Wer war der Negus

Negus ist im Altäthiopischen und Amharischen der Titel für einen königlichen Herrscher, wobei hier zwischen «Negus» (ንጉሥ nǝguś = König) und der Führung «Negesti» (ንጉሠ ነገሥት nǝguśä nägäśt = König der Könige) unterschieden werden muss. Schriftlich nachweisen lässt sich dieser Titel erstmals in Zei des aksumitischen Königs Ezana im 4. Jahrhundert.


Haile Selassie (offizielles Porträt, 1971)

Der wohl bekannteste Negus ist aber sicherlich Haile Selasie I., der letzte Negus Negesti, welcher Äthiopien als Regent von 1916 – 1930 und als Kaiser von 1930 – 1974 regierte. Der Name «Haile Selassie» lässt sich nicht zu «Selassie» abkürzen, da es ein Name mit zwei Wörtern ist (Haile = Kraft-von / Selassie = Dreifaltigkeit). Sein offizieller Herrschertitel war Neguse Negest (deutsch „König der Könige“), „Löwe von Juda“, „Auserwählter Gottes“ und „Verteidiger des Glaubens“. Er selbst nannte sich „225. Nachfolger des Königs Salomon“. Sein Geburtsname war jedoch Tafari Makonen, aus welchem sich auch sein Prinzenname ableitete (Lij-a Ras Täfäri Mäkonnen), was wiederum die Rastafari-Kultur aufnahm und ihn als Erlöser sah. Zwar verehren die Rastafarier Haile Selassie als Messias, und sie haben seinen Namen durch die Reggae Musik ab den 1970ern in die Welt getragen, aber für die äthiopische Geschichte und Biographie des Kaisers haben sie eigentlich keine Bedeutung.

 


Münze mit dem Abbild vom Löwen von Judah

 

Den Titel «Ras» (wortwörtlich «Kopf») wird meistens mit Herzog übersetzt obwohl sich Adelstitel über Kulturen hinweg schlecht vergleichen lassen.

Haile Selassie war im Übrigen nicht der erste gekrönte schwarze König einer unabhängigen Nation in Afrika. Die «salomonische Dynastie», dessen letzter Kaiser Haile Selassie war, geht mindestens bis ins 13. Jahrhundert zurück. Davor gab es eine weitere bekannte Dynastie und davor historische Belege für ein Königtum, welches bis in vorchristliche Zeiten zurückreicht. Gemäss lokalen Überlieferungen geht die Dynastie natürlich auf König Salomon zurück – historisch ist dies allerdings umstritten.

 

Haile Selassie und die Schweiz

1936 - Es war ein Jahr in dem Äthiopien – damals in Europa Abessinien genannt – in aller Munde war. Der letzte unabhängige afrikanische Staat, wurde von den Italienern mit einer technisch klar überlegenen Armee und mithilfe von verbotenem Giftgas angegriffen. Neben Missionaren der Basler-Mission, brachten auch berühmte Schweizer Auswanderer, wie der Bundesratssohn Werner Munzinger Pascha oder Bitwedded Alfred Ilg, bereits im 19. Jahrhundert Kunde aus dem ostafrikanischen Hochland in die Schweiz.

Spätestens mit dem Auftritt von Negus Negesti beim Völkerbund in Genf 1936, der eine Art Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen war, hat Haile Selassie sein sageumwobenes urchristliches Kaiserreich in der ganzen Welt bekannt gemacht.

 

Emperor Haile Selassie at the Assembly of League of Nations 1936

Auftritt Haile Selassie 1936 vor dem Völkerbund in Genf

https://www.youtube.com/watch?v=J8xQIO1fdqU

 

Die Geschichte des äthiopischen Volkes und sein charismatischer Herrscher haben die Leute in Seewen dermassen beeindruckt, dass sie zum Hauptsujet der neugeründeten Fasnachtsgesellschaft erhoben wurden. Wie stark das tatsächliche Äthiopien die Seebner damals inspirierte, zeigt sich im neguanischen Wortschatz, den Namen der frühen Schankhäusern und den Kostümen der frühen Neguaner und ihres Negus Negesti.


Die Negusgesellschaft 1937 am alten Bahnhof in Addis-a-Seeba

 

Zudem besuchte Haile Selassie die Schweiz 1954 auch noch ein zweites Mail.

Switzerland - state visit of Emperor Haile Selassie of Ethiopia, December 1954
Zweiter Besuch von Haile Selassie 1954 in der Schweiz

Switzerland - state visit of Emperor Haile Selassie of Ethiopia, December 1954

 

Zu guter Letzte dieses kurzen Exkurses, welcher nur Kleinstteile der jahrhundertelangen Geschichte des äthiopischen Kaiserreichs abdeckt, soll noch erwähnt sein, dass die wortwörtliche Übersetzung von «Addis Abeba» die «neue Blume» ist, was wiederum perfekt zu Addis-a-Seeba (Seewen) passt.